Antragsteller*in: | STG 3 (STG 3) |
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Antragshistorie: | Version 1 |
A9: 3. Vielfalt neu Denken (Neu)
Text
Vielfalt neu denken
Ein urbanes, weltoffenes Klima ist für unseren Stadtteil prägend: Fast 40% der
Menschen im Nordend haben eine internationale Familiengeschichte; sie stammen
aus über 100 Nationen der Erde. Auch im Nordend leben wieder mehr Familien mit
Kindern, und viele langjährige und ältere Bewohnerinnen und Bewohner unseres
Stadtteils, viele davon Singles, empfinden das Nordend als ihr Zuhause.
Gerade wegen dieser gesellschaftlichen Vielfalt und seines urbanen Charakters
gehört das Nordend zu den beliebtesten Vierteln Frankfurts. Hier möchten wir gut
zusammenleben und einander rücksichtsvoll und tolerant begegnen. Wenn Spannungen
auftreten, setzen wir uns für Lösungen ein, die möglichst alle mittragen können.
Alle Menschen im Stadtteil sollen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
Zugleich wissen wir: Auch das Nordend ist nicht frei von sozialen Problemen.
Viele Menschen sind beunruhigt, weil sie Angst vor Verdrängung und
Gentrifizierung haben. Diese Sorgen sind begründet, denn es hat in den letzten
Jahren eine schleichende Verdrängung vor allem aus dem Osten des Stadtbezirks
stattgefunden, aus dem viele Menschen und Familien – weniger wohlhabende,
darunter nicht selten Migrant*innen – bereits fortgezogen sind. Wir GRÜNE nehmen
diese berechtigten Befürchtungen vor Verdrängungsdruck ernst und stellen uns den
damit verbundenen Herausforderungen.
Vielfalt lebt von Begegnungen
Seit vielen Jahren setzen sich die GRÜNEN im Ortsbeirat für ein Stadtteiltreff
im Merianbad ein, das nach jahrelangen Verhandlungen mit dem Magistrat im Januar
2020 endlich eröffnet werden konnte. Die Ortsvorsteherin und weitere städtische
Ehrenamtliche und der Schutzmann vor Ort bieten hier regelmäßige Sprechzeiten
an. Im Rahmen der bescheidenen räumlichen Möglichkeiten treffen sich hier schon
jetzt Vereine und Initiativen mit Stadtteilbezug.
Auf dem Areal des Glauburgbunkers soll nach dessen Abriss ein Wohnungsneubau
errichtet werden. Der Ortsbeirat konnte durchsetzen, dass das Erdgeschoss einer
stadtteilbezogenen sozialkulturellen Nutzung vorbehalten bleibt. Wir GRÜNE
setzen uns dafür ein, dass hier auch ein inklusives Quartierscafé Platz findet,
in dem Veranstaltungen und Feiern von Vereinen, Initiativen und privaten Gruppen
stattfinden können. Angesichts des Bedarfs an weiteren Krabbelstuben im Nordend
halten wir es für sinnvoll, hier auf der ca. 600 Quadratmeter umfassenden Fläche
ein Angebot auch für Kinder unter 3 Jahren vorzusehen.
Wir GRÜNE möchten eine verstärkte Kooperation zwischen Ortsbeirat und der im
Nordend ansässigen Fachhochschule (University of Applied Sciences) anregen und
wollen diese weiterentwickeln. Dafür bieten sich Projekte des stadtteilbezogenen
Miteinanders an, aber auch Themen der Stadt(teil)entwicklung wie Wohnen,
Mobilität, öffentlicher Raum, Gestaltung der Campusmeile an.
Vielfalt und Bildung
Tagtägliche Orte der Begegnung sind schon heute die Kitas, Schulen, andere
Bildungseinrichtungen. An kaum an einem anderen Ort kommen so viele Familien,
Kinder und Jugendliche wie auch Erwachsene unterschiedlichster Herkunft und
kultureller Prägung Tag für Tag zusammen. Besonders Kitas und Schulen sind für
das Gelingen von Inklusion und Integration elementar. Ehrenamtliches Engagement,
das wir GRÜNE jederzeit unterstützen, verbessert z.B. in der Sprachförderung die
Bedingungen für die Entwicklungschancen aller Kinder und Jugendlicher.
In den letzten Jahren hat sich im Nordend eine gute Infrastruktur für
außerschulische Bildung entwickelt und bewährt. Die untereinander gut vernetzten
Organisationen bieten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Programme für
Bildung und Beteiligung an, die wir GRÜNE auch bei schwieriger Haushaltlage
unbedingt erhalten möchten. Der Stadtteilarbeitskreis Kinder- und Jugendarbeit
ist ein weiteres Beispiel für gelungene Integrationsarbeit; er trifft sich
regelmäßig und arbeitet an gemeinsamen Projekten wie bei der Aktion "Schwellen
runter", die sich um einen guten Übergang von Schule in den Beruf bemüht.
Besonders unterstützen möchten wir die Bildungsarbeit für junge Menschen, für
Frauen und Mädchen sowie für Menschen mit internationaler Familiengeschichte, um
ihnen Wege in den Arbeitsmarkt und zu politischer Mitwirkung zu ebnen oder neu
zu eröffnen. Aber auch für das während der Pandemie vermehrt erwachte Interessen
älterer Menschen an Digitalisierung möchten wir in geeigneten Projekten
aufgreifen.
Vielfalt sichtbarer machen
Zahlreiche Initiativen und Vereine setzen sich schon jetzt im Nordend für
Diversität und Teilhabe ein. Der jährliche Diversity-Tag oder die
Interkulturellen Wochen könnten den Rahmen für eine mit dem Amt für
multikulturelle Angelegenheiten organisierte Veranstaltung bieten, damit sich
diese Gruppen der Öffentlichkeit vorzustellen können.
Wir wollen als GRÜNE im Nordend die einzelnen Gruppen – wie People of Color,
LSBT*IQ und Migrant*innen – dabei unterstützen, auf ihre Probleme aufmerksam zu
machen.
Sichtbar machen möchten wir auch weibliche Vorbilder aus dem Stadtteil. Projekte
hierzu begrüßen und unterstützen wir GRÜNE. Wenn Straßen, Plätze und Schulen
einen (neuen) Namen brauchen, sollen Frauen an erster Stelle berücksichtigt
werden.
Keine Toleranz gegenüber Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung
Mit großer Sorge nehmen wir in unserer Gesellschaft eine Verschiebung des
Sagbaren wahr. Diskriminierende Äußerungen, die gestern noch breite Empörung
ausgelöst haben, werden heute mitunter stillschweigend gebilligt. Wir GRÜNE
wollen mit dazu beitragen, dass für Rassismus, Antisemitismus und
Diskriminierung keinen Raum in unserem Stadtteil finden.
Auch im Nordend wollen wir gezielte Antirassismus- und Antidiskriminierungs-
Arbeit voranbringen – in Form von Kampagnen, Schulungen, Präventions- und
Mediationsangeboten. Dass dies nötig ist, zeigen diskriminierende Erfahrungen
z.B. bei der Wohnungssuche, wo es immer wieder auch im Nordend vorkommt, dass
nach Herkunft, Namen und Aussehen entschieden wird.
Ein erster Schritt besteht darin, dass von Diskriminierung, Anfeindungen, Hass
und Gewalt betroffenen Menschen nicht allein bleiben und Gehör finden. Doch wir
wollen einen konkreten Schritt weiter gehen und eine Fachberatung für Menschen,
die Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung erleben mussten, zu uns in den
Stadtteil holen. Die Anlaufstelle hierfür könnte der Stadtteiltreff am
Merianplatz sein. Hier sollen, wie wir GRÜNE im Ortsbeirat vorschlagen werden,
Expert*innen des Projektes „response“ Betroffene vor Ort beraten.
Antirassistische Erinnerungskultur ist uns GRÜNEN ein Herzensanliegen. Wir
möchten deshalb dazu beitragen, den Stadtteilspaziergang, von der GRÜNEN Jugend
zum 75. Jahrestag der Befreiung am 8. Mai entwickelt, im Nordend zu verstetigen.
Ein solcher Ort des Gedenkens ist die Klingerschule, 1933 bis 1937 als SS-
Kaserne und Folterstätte missbraucht, 1941 bis 1943 als Versteigerungsort des
Hausrats der aus Frankfurt deportierten und später ermordeten Frankfurter
Jüdinnen und Juden. Der Vorplatz der Schule soll, wie im Herbst 2020 im
Ortsbeirat Nordend beschlossen, neu gestaltet werden und an die Geschichte
dieses Ortes erinnern. Hier soll eine Station der Frankfurter Erinnerungskultur
entstehen.