Antragsteller*in: | STG3 Wohnen-Programmgruppe (dort beschlossen am: 18.12.2020) |
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Beschlossen am: | 22.12.2020 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A10: 02 Wohnen neu Denken (Neu)
Text
Das Nordend ist eines der begehrtesten Wohnviertel Frankfurts. Die
Wohnungsmieten gehören zu den höchsten unserer Stadt und steigen weiter an.
Viele Menschen können sich daher das Wohnen in unserem Stadtteil nicht mehr
leisten. Fast nur Menschen, die schon lange hier leben, können ihre Miete noch
als „günstig“ empfinden – doch sie sind oftmals von Verdrängung bedroht. Wir
wollen den Trend der Spekulation und Gentrifizierung der zurückliegenden Dekaden
aufhalten und das Nordend als urbanen Stadtteil in seiner sozialen und
kulturellen Vielfalt erhalten und weiterentwickeln. Wir setzen uns für folgende
Maßnahmen ein:
Milieuschutz erweitern, Verdrängung verhindern
Zur Eindämmung der Gentrifizierung wurden 2018 für einige Bereiche des Nordends
Milieuschutzsatzungen erlassen. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass sich der
Milieuschutz auf weite Teile des Nordends erstreckt. Wo der Milieuschutz gilt,
zeigt er bereits auch Wirkung. Es muss aber nachgebessert werden. Bei
Eigentümerwechsel soll die Stadt viel konsequenter von ihrem Vorkaufsrecht
Gebrauch machen, um auf diese Weise bzw. durch restriktive
Abwendungsvereinbarungen mit möglichst langer Geltungsdauer spekulative
Eigentümerwechsel von Wohnhäusern zu unterbinden und die Mieter*innen wirksam zu
schützen. Durch die Einführung eines strengen Umwandlungsvorbehalts soll die
Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen grundsätzlich versagt werden. Die
Entmietungspraktiken von Immobilienspekulant*innen wollen wir öffentlich machen,
durch die Stadtverwaltung detailliert auf ihre Rechtsmäßigkeit prüfen lassen und
wo immer es möglich ist, wirksame Gegenmaßnahmen einfordern.
Leerstand bekämpfen
Im Nordend stehen sehr viele große Wohnhäuser leer, viele seit Jahren, manche
seit Jahrzehnten. Überwiegend aus der Gründerzeit, in jüngster Zeit auch
Nachkriegsbauten aus den 60er/70er Jahren. Wir haben kein Verständnis dafür,
dass sich das Land Hessen immer noch weigert, Frankfurt und anderen Städteneine
rechtliche Grundlage an die Hand zu geben, die es ermöglicht, über Bußgelder und
im letzten Schritt auch Enteignungen wirksam gegen Zweckentfremdung von Wohnraum
vorzugehen. Damit könnte sowohl spekulativem Leerstand als auch der Tendenz,
Wohnraum als Kurzzeitvermietung von möblierten Appartements dem normalen
Wohnungsmarkt zu entziehen, effektiv entgegengewirkt werden. Wir halten daran
fest, dass die systematische Erfassung und Bekämpfung des Leerstands unabdingbar
ist. Im Ortsbeirat werden wir weiterhin den Leerstand im Stadtteil konseqent
thematisieren und vom Magistrat entschiedendes Handeln gemäß dem Grundsatz
"Eigentum verpflichtet" einfordern.
Bezahlbar und klimagerecht bauen
Bei allen Mieter*innenschutz-Maßnahmen gilt für uns: Wir brauchen Lösungen, bei
denen Mieter*innen- und Umweltschutz sich nicht konterkarieren, sondern Hand in
Hand funktionieren.
Auch im Neubau müssen wir diese Frage lösen: Neubauten sollen grundsätzlich
mindestens im Passivhausstandard, wo immer möglich jedoch im Plus-Energie-
Standard entstehen und Maßnahmen wie Photovoltaik, Dach- und Fassadenbegrünung
integrieren. Grundsätzlich sollen im Neubau ressourcenschonende und ökologisch
vorteilhafte Baustoffe wie z. B. Holz oder Recycling-Beton zum Einsatz kommen.
Auch Systeme für Brauchwasserkreisläufe in Neubaugebieten müssen immer geprüft
werden.
Wohnungsneubau durch behutsame Nachverdichtung wird von uns unter der
Voraussetzung mitgetragen, dass er nicht den Verdrängungsdruck forciert und dass
soziale und Klima-Standards eingehalten werden. Unser Leitbild ist dabei das
Prinzip der „doppelten Innenentwicklung“, bei der die bauliche Nachverdichtung
gemeinsam mit einer Entwicklung und Verbesserung von urbanen Grünflächen gedacht
wird, um die Lebensqualität in den Quartieren trotz höherer baulicher Dichte zu
steigern.
Durch den Baulandbeschluss vom Mai 2020 wurden in Frankfurt verbindliche Quoten
von 30 Prozent für geförderte Wohnungen, 15 Prozent für gemeinschaftliche und
genossenschaftliche Wohngruppen, 15 Prozent für Mietwohnungen und zehn Prozent
für preisreduzierte Eigentumswohnungen eingeführt. Für den Bau von
Eigentumswohnungen verbleiben 30% der Flächen. Wir sehen den Baulandbeschluss
als großen Schritt in die richtige Richtung, setzen uns aber dafür ein, die
Quoten für geförderten Wohnungsbau auf 60% zu erhöhen. Der Baulandbeschluss soll
auch auf kleine Wohneinheiten unter 30 Wohnungen ausgedehnt werden.
Wohnungstausch ermöglichen
Gerade die Gründerzeitbauten im Nordend sind oft nicht barrierefrei zugänglich.
Viele ältere Menschen würden gerne in eine kleinere oder barrierefreie Wohnung
im Viertel umziehen, die sie aber kaum finden. Hinzu kommt, dass sie sich die
hohen Mieten bei Neuabschluss eines Mietvertrages nicht leisten können. Wir
möchten diese Menschen, aber auch Familien, die eine große, bezahlbare Wohnung
suchen unterstützen, indem wir für unseren Stadtteil die Entwicklung und
Erprobung eines Konzeptes für eine private und öffentliche Vermieter umfassende
Wohnungstauschbörse initiieren, möglichst unter Federführung einer städtischen
Stabstelle und als Modellprojekt für die ganze Stadt Frankfurt.
Städtische Förder- und Hilfsprogramme bekannter machen
Die Stadt Frankfurt hat inzwischen verschiedenste Förder- und Hilfsprogramme für
Mieter*innen und Immobilienbesitzer*innen aufgelegt. Wir wollen dazu beitragen,
dass die Menschen, die diese in Anspruch nehmen könnten, darüber informiert und
bürokratische Hürden abgebaut werden.
Hervorzuheben wären hier die Stabstelle Mieterschutz, die Beratungsstelle
„Hilfen zur Wohnungssicherung“, das Förderprogramm „Frankfurt frischt auf“ und
die Energieberatung des Frankfurter Energiereferats. Wir wollen Vertreter*innen
dieser Stellen in den OBR einladen und Formate erarbeiten, in denen sie der
breiteren Öffentlichkeit im Stadtteil bekannt werden.
Die laufende Erarbeitung eines Konzeptes für eine „Genossenschaftliche
Immobilienagentur“ (kurz GIMA) für Frankfurt begrüßen wir und setzen uns für
ihre baldige Gründung ein. An eine solche Genossenschaft könnten sich
Immobilienbesitzer*innen wenden, die ihre Häuser zu fairen Preisen an eine
Genossenschaft ihrer Mieter*innen verkaufen wollen um sie so langfristig vor
übertriebenen Mieterhöhungen zu schützen.
Mietspiegel weiterentwickeln
Der Mietspiegel weist fast das ganze Nordend als gehobene oder sehr gute
Wohnlage aus – trotz des dichtesten Netzes an Straßen mit besonders hoher
Lärmbelästigung. Das liegt daran, dass die Bewertung der Wohnlage auf Höhe und
Entwicklung des Bodenwerts basiert. Bis 2018 galt, dass der im Mietspiegel für
gehobene und sehr Wohnlagen festgelegte Zuschlag an Straßen mit besonders hoher
Lärmbelästigung nicht erhoben wurde. Seit 2018 ist diese Regelung aufgehoben.
Das betrifft tausende Mietwohnungen im Nordend. Wir setzen uns dafür ein, dass
künftige Frankfurter Mietspiegel (ab 2022) regeln, dass der Lagenzuschlag an
Straßen mit besonders hoher Lärmbelästigung wieder entfällt.
Darüber hinaus fordern wir, dass sich der Magistrat zB über den Städtetag dafür
einsetzt, dass die Berechnungsgrundlage für die ortsübliche Vergleichsmiete in
der Bundesgesetzgebung so geändert wird, dass alle, nicht nur die in den letzten
vier Jahren neu vereinbarten Mietverhältnisse einbezogen werden. Dies würde den
Mietspiegel deutlich dämpfen.